Der Völkermord von Srebrenica und die Bedeutung der Aussöhnung für den Weg in die Zukunft

11/07/2021 – HR/VP Blog – Im Herzen Europas wurde vor 26 Jahren das dunkelste Kapitel unserer modernen Geschichte geschrieben. Im Juli 1995 wurden in den Hügeln um Srebrenica mehr als 8 000 Menschen, hauptsächlich Jungen und Männer, vorsätzlich getötet. Dieses Wochenende wurden 19 weitere Opfer auf dem Friedhof an der Gedenkstätte Srebrenica beigesetzt. Wir müssen aus dem Geschehenen lernen, und wir brauchen Aussöhnung, um in die Zukunft aufbrechen zu können.

„Jeder Versuch, Verbrechen umzudeuten und Kriegsverbrecher zu verherrlichen, muss unterbunden werden. Wir müssen aus dem Geschehenen lernen, und wir brauchen Aussöhnung.“

 

Diese Tötungen sind Völkermord, wie vom Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien im Jahr 2004 und vom Internationalen Gerichtshof im Jahr 2006 anerkannt wurde. In Bosnien und Herzegowina und in der Region besteht allerdings noch immer eine Tendenz, den Völkermord von Srebrenica zu leugnen. Es ist unsere Pflicht, Srebrenica und der Opfer zu gedenken, die Erinnerung an die Bestatteten und an all die nach wie vor Vermissten zu ehren sowie aus dem Geschehenen zu lernen und alles in unserer Macht Stehende zu tun, damit so etwas nie wieder geschieht.

 

„Jeder Versuch, die Geschichte umzudeuten, den Völkermord zu leugnen und Kriegsverbrecher zu verherrlichen, muss unterbunden werden.“

 

Wir können erneut Versuche beobachten, die Geschichte umzudeuten, Völkermord und Kriegsverbrechen zu leugnen und Kriegsverbrecher zu verherrlichen; dies muss unterbunden werden. Die politische Führung in der gesamten Region muss Hass und spalterische Rhetorik zurückweisen, sich für Gerechtigkeit einsetzen sowie Dialog und Zusammenarbeit fördern. Eine Aussöhnung lässt sich am besten herbeiführen, indem stärkere und bessere Gesellschaften aufgebaut werden, in denen Pluralismus, Gerechtigkeit und Menschenwürde herrschen. Genau dieses Angebot macht die Europäische Union Bosnien und Herzegowina mit dem europäischen Weg, und deshalb setzen wir uns für Reformen und politischen Dialog, vor allem aber für eine Aussöhnung ein.

Aussöhnung ist eine strategische Ausrichtung und muss Tag für Tag erarbeitet werden. In Bosnien und Herzegowina wird die Aussöhnung Realität, indem Dialog und Initiativen in Schulen, auf der Straße, in Dörfern und in Städten gefördert werden. Die Aussöhnung beginnt bei den jungen Menschen. Die Jugend wird die Entwicklung des Landes gestalten, sie hat das Recht auf ein hochwertiges und inklusives Bildungssystem und verdient es, in einem friedlichen und gerechten Land zu leben.

 

„Die überwältigende Mehrheit der Bosnier möchte den europäischen Weg einschlagen und der europäischen Idee folgen.“

 

Letzten November bin ich anlässlich des 25. Jahrestags des Friedensabkommens von Dayton nach Sarajewo gereist. Ich habe das Museum der Kriegskindheit besucht und Fürsprecher der Aussöhnung getroffen. Die Ehrung von Kriegsopfern erinnert uns daran, von welch grundlegender Bedeutung es ist, die historischen Fakten der Vergangenheit anzuerkennen, um zu lernen und die Zukunft zu gestalten. Gedenken bedeutet Verstehen, Heilen und Aufbruch in die Zukunft.

Das Land kann auf seinem europäischen Weg voranschreiten. Nach jüngsten Umfragen wird dies von mehr als 75 % der Bürgerinnen und Bürger Bosnien und Herzegowinas befürwortet, denn sie verstehen die transformative Kraft der Europäischen Union und der ihr zugrunde liegenden Idee.

Am 13. Juli werde ich den Vorsitz der Tagung des Stabilitäts- und Assoziationsrates EU-Bosnien und Herzegowina führen. Es wird das erste Treffen nach drei Jahren sein. Ich freue mich auf unsere Gespräche über aktuelle Herausforderungen und den Weg in die Zukunft mit Reformen, die erforderlich sind, um die Governance wirksamer zu gestalten, die Rechtsstaatlichkeit zu stärken und das wirtschaftliche Potenzial auszuschöpfen. Wir werden eine Bilanz der Fortschritte bei den 14 Schlüsselprioritäten ziehen, die in der Stellungnahme der Europäischen Kommission zum Beitrittsantrag Bosnien und Herzegowinas genannt werden, einschließlich der heiklen, jedoch notwendigen Verfassungs- und Wahlrechtsreform.

 

„Die Geschichte Bosnien und Herzegowinas ist Teil der gemeinsamen europäischen Geschichte.“

 

Der Beitritt zur EU ist ein Prozess, der Verantwortung, Führung und Visionen sowie gemeinsame Anstrengungen der gesamten Gesellschaft erfordert. Wir gedenken Srebrenica, doch gleichzeitig bekräftigt die Europäische Union ihre feste Zusage, Bosnien und Herzegowina dabei zu unterstützen, das Erbe der Vergangenheit zu überwinden, den Tatsachen ins Auge zu sehen und die Gesellschaft in eine bessere Zukunft zu führen. Die Geschichte Bosnien und Herzegowinas ist Teil der gemeinsamen europäischen Geschichte, und die Zukunft des Landes und des gesamten westlichen Balkans liegt in der Europäischen Union.

 

Siehe auch:

BiH: Statement by High Representative Josep Borrell and Commissioner Olivér Várhelyi on the anniversary of the Srebrenica genocide

 

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