Die EU als Garant für maritime Sicherheit weltweit

27/01/2021 – HR/VP Blog – Am 25. Januar haben wir das erste Pilotprojekt zum neuen Konzept der koordinierten maritimen Präsenzen im Golf von Guinea vor der Küste Westafrikas gestartet. Neben unseren bestehenden Marineoperationen im Mittelmeer und im westlichen Indischen Ozean stärken wir damit unsere Rolle als Garant für maritime Sicherheit weltweit.

 

 

Am 23. Januar entführten Piraten vor der Küste Westafrikas ein türkisches Frachtschiff, töteten ein Besatzungsmitglied und entführten 15 Personen. Laut dem Internationalen Seeschifffahrtsbüro der Internationalen Handelskammer (externer Link) wurden im vergangenen Jahr weltweit 195 Fälle von Piraterie und bewaffneten Raubüberfällen auf Schiffe verzeichnet. Das sind 33 Fälle mehr als im Jahr 2019.

 

Als zweitgrößter Exporteur und drittgrößter Importeur der Welt ist die EU stark auf den Seeverkehr und die Seeverkehrsinfrastruktur angewiesen. Sichere Seeverkehrswege sind jedoch nicht nur für uns wichtig: Ohne sie besteht die Gefahr, dass 90 % der derzeit verfügbaren Waren ihre Kunden auf der ganzen Welt einfach nicht erreichen. Die Gewährleistung eines sicheren maritimen Umfelds ist daher ein globales öffentliches Gut, das internationale Zusammenarbeit erfordert, damit die zunehmenden Herausforderungen in Zusammenhang mit geostrategischen Rivalitäten, Piraterie und organisiertem Verbrechen bewältigt werden können.

Stärkung der maritimen Präsenz der EU

Aufgrund dieser zunehmenden maritimen Unsicherheit fordern viele Partner, Küstenländer und die Seeschifffahrtsindustrie von der EU, stärker aufzutreten. Nicht nur in unserer direkten Nachbarschaft, sondern auch in weiter entfernten Gebieten. Die EU verfügt über die technischen Kapazitäten und Ressourcen, um viele dieser Herausforderungen zu bewältigen – von der Bekämpfung aller Arten krimineller Aktivitäten auf See bis hin zur Reaktion auf Naturkatastrophen oder vom Menschen verursachte Katastrophen.

 

„Die EU verfügt über die Kapazitäten und Ressourcen, um viele Herausforderungen auf See zu bewältigen – von der Bekämpfung aller Arten krimineller Aktivitäten auf See bis hin zur Reaktion auf Naturkatastrophen oder vom Menschen verursachte Katastrophen.“

 

In diesem Bereich sind wir bereits tätig, insbesondere mit zwei großen Marineoperationen: Zum einen mit der Operation IRINI (externer Link) im Mittelmeer, die darauf abzielt, das vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gegen Libyen verhängte Waffenembargo umzusetzen, die illegale Ausfuhr von Erdöl aus Libyen zu verhindern und zur Zerschlagung von Schleuser- und Menschenhändlernetzen beizutragen. Zum anderen mit EUNAVFOR Atalanta (externer Link) im westlichen Indischen Ozean, um die von somalischem Boden ausgehende Piraterie und bewaffneten Raubüberfälle auf See vor dem Horn von Afrika zu bekämpfen.

Mit der Einführung des Konzepts der koordinierten maritimen Präsenzen im Golf von Guinea tragen wir einmal mehr zur Förderung der maritimen Sicherheit weltweit bei.

Ein neues und flexibles Instrument zur Verstärkung der maritimen Sicherheit

Worum handelt es sich bei dem neue Konzept der koordinierten maritimen Präsenzen? Je nach Situation ist der Start einer neuen Marineoperation der EU nicht die einzige Option, und manchmal auch nicht unbedingt die geeingnetste. Viele Mitgliedstaaten sind auf See bereits stark präsent, insbesondere in Gebieten, die für die gesamte Europäische Union von Interesse sind. Diese Schiffe der EU-Mitgliedstaaten sind ganzjährig in allen Meeresgebieten der Welt im Einsatz.

 

„Das Instrument der koordinierten maritimen Präsenzen wird die EU in die Lage versetzen, die vorhandenen Marine- und Luftkapazitäten der Mitgliedstaaten zu nutzen, um ihre Rolle als Garant für maritime Sicherheit noch besser zu erfüllen.“

 

Das Instrument der koordinierten maritimen Präsenzen wird die EU in die Lage versetzen, die vorhandenen Marine- und Luftkapazitäten der Mitgliedstaaten zu nutzen, um ihre Rolle als Garant für maritime Sicherheit noch besser zu erfüllen. Die Koordinierung erfolgt auf freiwilliger Basis, und die Schiffe unterstehen nach wie vor den nationalen Befehlsketten. Dieses einfache und flexible Instrument ermöglicht es den EU-Mitgliedstaaten, die in Meeresgebieten von Interesse präsent sind, über die Koordinierungszelle für Meeresgebiete von Interesse, die innerhalb des Militärstabs der EU eingerichtet wurde, zusammenzuarbeiten. Dabei nutzen sie das MARSUR-Netz, eine technische Lösung der Europäischen Verteidigungsagentur. Es wird im Rahmen dieses Pilotprojekts zum ersten Mal eingesetzt, um den Austausch operativer Informationen wie Positionen, Routen, Identifikationsdaten oder Aufnahmen von Schiffen zu erleichtern.

Durch die Schaffung von Synergien zwischen den bestehenden nationalen Ressourcen wird der Mechanismus der koordinierten maritimen Präsenzen allen Mitgliedstaaten, der EU und zahlreichen Interessenträgern und gleichgesinnten Partnern auf der ganzen Welt zugutekommen.

Start des Pilotprojekts für das Konzept der koordinierten maritimen Präsenzen im Golf von Guinea

Das Konzept wird zum ersten Mal im Golf von Guinea umgesetzt, und zwar natürlich auf Wunsch unserer afrikanischen Partner der Organisation der Jaunde-Architektur (externer Link) und in enger Zusammenarbeit mit ihnen. Damit unterstützen wir ihr Ziel, Piraterie und kriminelle Aktivitäten auf See zu bekämpfen. EU-Mitgliedstaaten wie Frankreich, Italien und Spanien sind bereits in der Region präsent. Sie werden die Marine- und Luftkapazitäten bereitstellen, um die Umsetzung des Pilotprojekts zu unterstützen.

 

„Frankreich, Italien und Spanien sind bereits im Golf von Guinea präsent. Sie werden die Marine- und Luftkapazitäten bereitstellen, um die Umsetzung des Pilotprojekts der koordinierten maritimen Präsenzen zu unterstützen.“

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Die maritime Sicherheit hat sich tatsächlich nirgendwo auf der Welt so sehr verschlechtert wie in diesem Golf, wo die Zahl der Entführungen von Besatzungsmitgliedern in den letzten Jahren beispiellos angestiegen ist. Im Jahr 2020 wurden 84 Angriffe auf Schiffe verübt. Bei 22 dieser Vorfälle wurde eine Rekordzahl von 130 Menschen entführt. Zwischen 2018 und 2020 verzeichnete die Region auch einen Anstieg der Entführungen zur Lösegelderpressung um fast 60 %. Auf den Golf von Guinea entfallen inzwischen 95 % aller Entführungen auf See. Die Vorfälle in dieser Region sind besonders gefährlich, da über 80 % der Angreifer bewaffnet sind.

 

„Zwischen 2018 und 2020 verzeichnete der Golf von Guinea auch einen Anstieg der Entführungen zur Lösegelderpressung um fast 60 %. Auf diese Region entfallen inzwischen 95 % aller Entführungen auf See.“

 

Neben der Piraterie gibt es im Golf von Guinea auch zahlreiche andere Formen des organisierten Verbrechens. Nach Angaben der FAO (externer Link) kostet die anhaltende illegale Fischerei in westafrikanischen Gewässern die Region jährlich schätzungsweise 1,3 Mrd. $. Das bedeutet auch, dass nicht genügend Fisch für die Bevölkerung vorhanden ist. Gleichzeitig werden Drogen und sonstige illegale Waren, die den lokalen Gemeinschaften schaden und Probleme in Europa verschärfen, entlang der Küsten und über Landesgrenzen hinweg geschmuggelt.

 

„Die Jugendarbeitslosigkeit in den Länder am Golf von Guinea wird auf über 60 % geschätzt. Diese Aspekte müssen ebenfalls angegangen werden, um die maritime Sicherheit in der Region zu verbessern.“

 

Generell wird die Arbeitslosigkeit in den Ländern am Golf von Guinea auf etwa 40 % geschätzt, mit einer Jugendarbeitslosigkeit von über 60 %. Es besteht ein hohes Risiko, dass junge Menschen in kriminelle Aktivitäten abgleiten, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Viele werden dazu gedrängt, Handlanger für Piratengruppen und kriminelle Banden zu werden, oder sie werden zu irregulärer Migration unter sehr gefährlichen Bedingungen verleitet. Diese Aspekte müssen ebenfalls angegangen werden, um die maritime Sicherheit in der Region zu verbessern. Daher leistet die EU gleichzeitig einen aktiven Beitrag zum Aufbau lokaler Kapazitäten in den Küstenstaaten der Region.

Kurz gesagt, die weltweite maritime Sicherheit ist ein wichtiges Thema für die EU, und ich freue mich sehr, dass wir mit diesem neuen Konzept – dank der Arbeit des Militärstabs der EU und des Engagements unserer Mitgliedstaaten – Fortschritte in diesem Bereich erzielen können.

 

 

https://twitter.com/EUCouncilPress/status/1353655472117735427

Informationsblatt:Koordinierte maritime Präsenzen

 

 

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