EU – USA: Enge Beziehungen nach wie vor grundlegend für die Sicherheit weltweit

17. Oktober 2021 – Blog des Hohen Vertreters und Vizepräsidenten – Bei meinem Besuch in Washington, D.C. haben wir ein klärendes Gespräch über die transatlantische Agenda und insbesondere die drängenden internationalen Herausforderungen geführt. Eine ausgeglichenere Zusammenarbeit zwischen der EU und den USA ist und bleibt grundlegend für den Frieden, die Sicherheit und den Wohlstand auf der Welt, da unsere Werte und Interessen weitgehend übereinstimmen.

 

 

Zum Abschluss meines zweitägigen Aufenthalts in Washington, D.C. standen ein Besuch des Nationalfriedhofs Arlington und des Lincoln Memorial auf dem Programm. Auf dem Nationalfriedhof Arlington werden verstorbene Angehörige der Streitkräfte der Vereinigten Staaten geehrt, die dort in Würde unter langen Reihen identischer Grabsteine ruhen.  Das Nationaldenkmal zu Ehren Abraham Lincolns, des Präsidenten, der die Sklaverei abschaffte und das Land durch den Bürgerkrieg führte, befindet sich am Ende der Prachtallee National Mall. Auch wenn sich derzeit in den USA immer noch gesellschaftliche Spannungen bemerkbar machen, sind diese beiden Orte machtvolle und einende Erinnerungen daran, was zu leisten ist, um eine Demokratie aufzubauen und ihre Werte und Grundrechte zu verteidigen – sowohl im eigenen Land als auch anderenorts. Uns Europäer erinnert der Friedhof in Arlington zudem daran, wie viele junge Amerikaner auf europäischem Boden ihr Leben ließen, um für unsere Freiheit und gegen den Nationalsozialismus und Faschismus zu kämpfen – wodurch auch die Grundlagen unserer transatlantischen Partnerschaft geschaffen wurden.

 

Die Vertiefung dieser Partnerschaft stand im Mittelpunkt meines ersten Besuchs seit dem Bestehen der neuen Regierung Biden in Washington, D.C. Bei meinen Treffen mit Außenminister Blinken und der Vize-Verteidigungsministerin Hicks überprüften und überarbeiteten wir unsere Zusagen vom EU-USA-Gipfel im Juni und erörterten konkrete Projekte zur Verstärkung und Verbesserung unserer Zusammenarbeit.

 

„Bei meinem ersten Besuch in Washington, D.C. seit Bestehen der neuen Regierung Biden stand die Vertiefung der transatlantischen Partnerschaft im Mittelpunkt.“

 

Seit Januar arbeiten wir zusammen an einer ambitionierten neuen transatlantischen Agenda. Nicht nur, weil wir engste Partner sind, was unsere Werte und unsere gesellschaftlichen, demokratischen und marktwirtschaftlichen Strukturen betrifft, sondern auch, weil Freunde und Verbündete ihre Augen auf uns richten und von uns Zusammenarbeit zur Bewältigung globaler Herausforderungen erwarten. In Zeiten erheblicher geopolitischer Veränderungen tragen die EU und die USA gemeinsam Verantwortung dafür, zu verhindern, dass die internationale Ordnung in einen verschärften Wettkampf zwischen den Nationen abgleitet. Bei unserer gemeinsamen Arbeit müssen wir uns aktiv für eine Vision der weltweiten Zusammenarbeit auf der Grundlage demokratischer Werte einsetzen, die sich von der Vision autoritärer Mächte absetzt, die eine völlig andere Welt anstreben.

 

„Natürlich sind wir auch auf die jüngsten Schwierigkeiten und Differenzen eingegangen, die uns auch eine Warnung sind: Wir müssen das Vertrauen vertiefen und die Frühwarnmechanismen verbessern.“

 

Natürlich sind wir auch auf die jüngsten Schwierigkeiten und Differenzen eingegangen, einschließlich des Truppenabzugs aus Afghanistan und der Umstände der Ankündigung der AUKUS-Partnerschaft. So führte unter anderem der Mangel an Absprache und Kommunikation zu echten Schwierigkeiten auf Seiten der Verbündeten und zeigte den Westen nicht von seiner besten Seite.  Diese Schwierigkeiten waren uns auch eine Warnung und gaben den Anstoß, der Vertiefung des Vertrauens und der Verbesserung unserer Frühwarnmechanismen mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Aufbauend auf dem in den letzten Monaten Erreichten – etwa den Ergebnissen des Gipfeltreffens EU-USA und dem kürzlich in Pittsburgh eingerichteten Handels- und Technologierat – konnten wir uns bei meinem Besuch auf konkrete Schritte zur Vertiefung unseres Engagements einigen.

 

Zunächst haben wir unsere Zusage bekräftigt, noch vor Jahresende einen speziellen Dialog über Sicherheit und Verteidigung aufzunehmen. Unsere Sicherheit und unser Wohlstand werden durch eine engere bilaterale Zusammenarbeit auf diesem Gebiet zweifelsohne gestärkt werden. Im gleichen Sinne erhielt ich von Seiten der USA erfreulicherweise wieder Unterstützung für eine stärkere und fähigere europäische Verteidigung als Beitrag zur transatlantischen und weltweiten Sicherheit. Wie ich schon mehrfach betont habe: Je stärker wir als EU werden, desto besser werden wir als Partnerin der USA und in der NATO. Die Debatte, ob es Europas eigene Sicherheitskapazitäten oder die Kapazitäten innerhalb der NATO zu stärken gilt, sollten wir vermeiden. Sie sorgt nur für Spaltung und wirkt meines Erachtens oft künstlich. Es handelt sich um einen unzutreffenden Gegensatz, da wir eindeutig beides tun müssen.

 

„Wir haben bekräftigt, dass wir noch vor Jahresende einen speziellen Dialog über Sicherheit und Verteidigung aufnehmen werden. Eine engere bilaterale Zusammenarbeit wird unsere Sicherheit und unseren Wohlstand stärken.“

 

Ich habe sowohl Außenminister Blinken als auch Vize-Verteidigungsministerin Hicks darüber in Kenntnis gesetzt, wie wir die europäische Verteidigung über den Strategischen Kompass stärken werden, mit dessen Entwicklung mich die EU-Führungsebene beauftragt hat. Damit werden wir unsere Handlungsfähigkeit ausbauen und in der Lage sein, einige Bedrohungen alleine zu bewältigen. Dies ist Teil der Lastenteilung, die unsere amerikanischen Verbündeten mehrfach gefordert haben, und ich habe erneut betont, dass dabei natürlich mit der NATO zusammengearbeitet wird.

Zudem haben wir uns darauf verständigt, Konsultationen zwischen der EU und den USA zum Indopazifik aufzunehmen, um die transatlantische Zusammenarbeit und das gemeinsame Engagement in dieser Region zu vertiefen. Wir haben ferner vereinbart, einen hochrangigen Dialog zu Russland auf Basis unseres grundsatzorientierten Ansatzes dem Land gegenüber einzuleiten. Die ersten Treffen sind in beiden Fällen noch vor Jahresende geplant. Wir werden zudem Anfang nächsten Jahres eine weitere Sitzung des Energierats EU-USA abhalten, um die derzeit hohen Energiepreise, die globalen Auswirkungen dieser Krise und die Energiewende zu diskutieren.

Lassen Sie mich zum Abschluss kurz einige andere internationale Fragen beleuchten, die wir angesprochen haben:

  • Wir waren uns darin einig, dass im Umgang mit China ein vielschichtiger Ansatz erforderlich ist, der Elemente der Zusammenarbeit, des Wettbewerbs und der systemischen Rivalität umfasst. Der nächste hochrangige Dialog zwischen der EU und den USA über China wird im Dezember stattfinden.
  • Wir werden weiterhin zusammenarbeiten, um den Menschen in Afghanistan zu helfen und einen sozioökonomischen Zusammenbruch des Landes zu verhindern.
  • In Bezug auf die westlichen Balkanstaaten haben wir darüber gesprochen, dass eine fortgesetzte Partnerschaft zwischen der EU und den USA erforderlich ist. Wir haben bezüglich des von der EU unterstützten Dialogs über die Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und dem Kosovo herausgestrichen, dass Deeskalation und ein erneutes Engagement in den Verhandlungen nötig sind.
  • Zum Thema Iran und dem gemeinsamen umfassenden Aktionsplan JCPOA werden wir weiter daran arbeiten, zu gewährleisten, dass das iranische Atomprogramm ausschließlich friedlichen Zwecken dient, und die globale Architektur für die Nichtverbreitung von Kernwaffen aufrechtzuerhalten. Zudem müssen die Wiener Gespräche bald wieder aufgenommen werden.
  • Wir haben erneut unsere feste Absicht unterstrichen, die politischen Prozesse zur Wiederherstellung von Stabilität und zur demokratischen Aussöhnung in Venezuela zu unterstützen.
  • Im Sahel werden wir unsere gemeinsamen Anstrengungen weiterhin darauf ausrichten, die Region zu stabilisieren. Europa muss bei diesen Bemühungen eine Führungsrolle übernehmen.

Alles in allem bin ich nach meinem Besuch in Washington zuversichtlich, dass wir eine immer engere und stärkere, ausgewogene transatlantische Partnerschaft pflegen werden. Angesichts der globalen Herausforderungen, denen wir heute gegenüberstehen, ist dies unverzichtbar. Dies führt uns ein Zitat von Abraham Lincoln, das mir bei dem Besuch des Denkmals aufgefallen ist und mit dem ich abschließen möchte, ganz klar vor Augen: „You cannot escape the responsibility of tomorrow by evading it today“ – Künftiger Verantwortung können wir uns nicht entziehen, indem wir ihr heute aus dem Weg gehen.

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